Seit zwei Monaten unterwegs…

Zwei Ziegen kämpfen miteinander

Wie haben wir den Monat April verbracht?

In unserem zweiten Reisemonat ist etwas Ruhe eingekehrt, jedenfalls was die besuchten Länder angeht. Hatten wir in unserem ersten Reisemonat März ganze sieben Länder besucht, so waren es im April genau zwei: Türkei und Iran.

Der April war besonders für uns, denn wir wechselten für drei Wochen unser Fortbewegungsmittel: Die Türkei entdeckten wir mit einem Mietwagen! Ausgeliehen am 1. April in Istanbul, fuhren wir mit ihm 2.400 Kilometer bis ganz in den Osten der Türkei, bis in die Stadt Van. Anfangs war es ganz komisch, auf einmal mit einem eigenen Auto unterwegs zu sein, doch wir gewöhnten uns schnell an die neue Unabhängigkeit und Freiheit. 🙂 In Van angekommen, hieß es sich wieder umzugewöhnen, denn dort gaben wir das Auto ab. Seitdem sind wir wieder zu unserer vorherigen Reiseart zurückgekehrt und erkunden mit Bus und Bahn den Iran.

Der April bedeutete vor allem für mich eine große Umstellung, denn zum ersten Mal in meinem Leben war ich gezwungen, mich einer bestimmten Kleiderordnung anzupassen. Für den Iran bedeutet das konkret, immer mit einem Kopftuch, langer Hose und einem langen Oberteil, das die Arme bedeckt und bis mindestens zur Hälfte des Oberschenkels reicht, das Haus bzw. auch nur das Hotelzimmer zu verlassen. Anfangs hatte ich etwas Sorge, wie das wohl wird, doch obwohl mich das Kopftuch (vor allem an windigen Tagen!) immer noch nervt, ist es nicht so schlimm wie gedacht. Der Iran und seine Bewohner sind sehenswert und toll genug, sodass es sich lohnt, diese Kleiderordnung für ein Weilchen auf sich zu nehmen!

Leo trägt einen hochgeschlossenen grünen Mantel und hat ihre Haare mit einem Kopftuch bedeckt
Der in der Türkei erstandene Mantel ist leicht und toll, wurde aber trotzdem irgendwann zu warm. Inzwischen hat er daher eine neue Besitzerin…

Was sind unsere Erkenntnisse des zweiten Reisemonats?

  • Am 1. April holten wir unseren Mietwagen ab und mussten uns bestimmt zwei Tage lang an dieses große, komfortable Auto gewöhnen. Doch es ging überraschend schnell und dann schätzten wir die Unabhängigkeit, die wir dadurch gewannen, sehr!
  • In der Türkei fühlten wir uns trotz anstehendem Referendum sehr, sehr wohl! Die Menschen waren von der Politik unbeeindruckt und begegneten uns unvoreingenommen.
  • Trotzdem war für uns die Überpräsenz der „Evet“-Fraktion (der „Ja“-Seite) manchmal unangenehm, wenn im Fünf-Minuten-Rhythmus mit „Evet“ beklebte Autos durch die Straßen fuhren, um mit ihren großen Lautsprechern das ganze Viertel mit dem „Evet“- Lied zu beschallen.
  • Das Referendum selbst erwarteten wir mit großer Spannung! Da wir den Tag in Ani, einem winzigen Ort am Rande der Türkei, verbrachten, bekamen wir davon allerdings nur am Abend mit. Dann aber lief die Wahl wie bei uns ab: Das halbe Hotel verfolgte gespannt vor dem Fernseher die Hochrechnungen. Als dann das vorläufige Ergebnis feststand, war der Hotelbesitzer geschockt. „Very, very big problem for Turkey!“, meinte er am Boden zerstört. Auf der Straße allerdings feierten einige junge Leute das Ergebnis mit einem Autokorso. An diesem Abend gingen wir mit einem sehr bedrückenden Gefühl zum Abendessen. Was die Leute auf der Straße wohl dachten? Und was mit diesem tollen Land nun wohl passieren wird?
Wahlplakat für das türkische Referendum 2017
Übergroß wird für „Evet“ geworben
  • Die Schwarzmeerküste ist auch vor der Hauptsaison definitiv einen Besuch wert! Es war zwar zu kalt zum Baden, aber dafür hatten wir in allen Hotels und Restaurants die freie Auswahl. Zudem war das Wetter sonnig und frühlingshaft mild, so dass auch die Bäume bereits blühten.
  • Anderen Touristen begegneten wir nach Istanbul fast gar nicht mehr, was wohl unter anderem der Berichterstattung im Vorfeld des Referendums geschuldet war.
  • Die Türkei ist das Land von Lahmacun, Döner, Pide und Kebab! Am Schwarzen Meer bestimmt dazu Fisch die Speisekarten. Meine Rettung waren die Suppen-Restaurants, die es überall gibt und die tolle Suppen – ja, sogar auch vegetarische! – anbieten. Unsere Favoriten waren ganz klar Tomatensuppe und Mercimek, eine super leckere Linsensuppe!
  • In der Hafenstadt Amasra lebten ganze Hundegangs, die aber sehr freundlich waren. Pünktlich zum Gebetsruf des Muezzins fingen sie ohrenbetäubend zu jaulen an und das bei jedem der regelmäßigen Gebetsrufe! Ist uns davor und seitdem in keiner anderen Stadt begegnet, war aber (tagsüber) unterhaltsam 🙂
  • Es war eine gute Entscheidung, ab Trabzon das Schwarze Meer zu verlassen. Die Berge und rauen Gegenden Anatoliens waren beeindruckend und die Weite und Stille in Ani, direkt an der Grenze zu Armenien, absolut einen Besuch wert!
  • Unsere Einreise in den Iran erwarteten wir mit Spannung. Wird mit unserem Visum alles klappen? Wie wird das mit der islamischen Kleiderordnung? Wie sind sie so drauf, „die Iraner“? Der iranische Grenzbeamte war sehr aus der Fassung gebracht, als am kleinen Grenzübergang Kapıköy auf einmal wir beiden europäischen Ausländer auftauchten. Sebastian hatte zu allem Übel zwei Reisepässe und die Ein- und Ausreisestempel der Türkei in dem einen, und das iranische Visum in dem anderen Pass. Ich habe drei Vornamen, was dem überforderten Grenzbeamten dann den Rest gab… Aber wir haben es geschafft und sind drin! 🙂
  • Die ersten Tage im Iran verbrachten wir in der Stadt Tabriz und mussten uns erst mal eingewöhnen. Kulinarisch bestimmen zwar (leider… 😉 ) auch hier Kebabs die Speisekarten, ansonsten waren wir aber auf einmal interessant wie Popstars. Unzählige Selfies wurden mit uns geschossen, unzählige Male wurden wir im Iran willkommen geheißen. Und andauernd sprachen uns nette Menschen auf der Straße an, schenkten und einen Tee aus, luden uns zum Tischtennisspielen ein, winkten uns vom Auto aus zu oder lächelten hinter vorgehaltener Hand.
  • Couchsurfing haben wir im Iran auch gemacht und hier leider unsere erste unschöne Erfahrung gemacht. Ganz im Gegenteil aller Iraner, die wir bislang getroffen haben, fühlten wir uns absolut unwillkommen und erlebten einen Couchsurfing-Aufenthalt mit vielen Spannungen. Ausnahmen der Freundlichkeit bestätigen die Regel, nehmen wir mal an. Dazu bald bestimmt noch mehr…
  • Wir sind überrascht bis geschockt, wie touristisch der Iran ist, vor allem verglichen mit der gefühlt touristenfreien Türkei (außerhalb Istanbuls). Gerade in den großen und bekannten Städten des Irans schieben sich Reisegruppen im Seniorenalter durch die Straßen und es ist überaus schwierig, kurzfristig ein Hotelzimmer zu bekommen.
  • Die Duschwannen sind übrigens verschwunden. Im normalen iranischen Bad hängt die Dusche einfach über der Toilette oder dem Waschbecken. Ist zum Putzen bestimmt praktisch, aber wenn einer duscht, müssen alle anderen danach die Socken ausziehen, wenn sie ins Bad müssen.
  • Sowohl in der Türkei als auch im Iran haben wir in Wohnungen übernachtet, die nur mit einer Hocktoilette ausgestattet sind. Eine Herausforderung für Sebastian 😉
  • Seit wir im Iran sind, sind frische Säfte und leckeres Obst auf die Speisekarte gekommen! Yippie! 🙂
  • Übrigens: Hier im Iran fühlen wir uns sehr sicher! Auch wenn wir abends noch durch die Straßen schlendern, hatten wir bislang noch nie ein ungutes Gefühl.
Schnellstraße, die durch beleuchtete Bäume gesäumt ist
Gute Beleuchtung trägt dazu bei, dass wir uns sicher fühlen. So verrückt wie in den Straßen Teherans, wo die Bäume für unsere Augen weihnachtlich geschmückt sind, sieht es aber nicht überall aus.

Sind uns kulturelle Unterschiede aufgefallen?

Grundsätzlich können wir festhalten, dass sowohl in der Türkei als auch im Iran die Menschen sehr offen, freundlich und positiv neugierig auf uns sind. Es ist leicht, mit ihnen in Kontakt zu kommen, manchmal würden wir uns sogar ein wenig mehr Ruhe wünschen.

Eine Herausforderung im Iran ist für uns Tarof, eine ritualisierte Höflichkeit. Wie wir von Iranern lernen durften, bedeutet das, dass sie beispielsweise bei einer Einladung nach Hause ein Stück Kuchen ablehnen, obwohl sie gerne eines hätten. Die Höflichkeit verlangt es, dass der Gastgeber mindestens zwei-, dreimal nachhakt und sie erst dann annehmen. Aber auch von Iranern hören wir häufig, dass es überaus schwer zu erkennen ist, wer aus tarof-Gründen ablehnt oder wer wirklich nichts möchte. Auf die gleiche Höflichkeitsnorm ist zurück zu führen, wenn uns falsche Richtungsangaben gemacht wurden, weil man uns nicht ohne Antwort lassen wollte. Es ist für uns schwierig, im täglichen Umgang daran zu denken, dass eine klare Antwort nicht unbedingt so gemeint sein muss, wie sie gesagt wurde, denn wir sind aus Deutschland die klaren Ansagen in unserer Kommunikation gewöhnt. Wir erweitern unsere interkulturellen Kompetenzen 😉

Sebastian und Leo mit Mahmoud und Merhane im Wohnzimmer
Mit unseren neuen Freunden Mahmoud und Merhane konnten wir viel über die Unterschiede zwischen Iran und Deutschland sprechen

Was unterscheidet Monat eins von Monat zwei?

Den ersten Monat mussten wir uns tatsächlich ein wenig an das Reisen gewöhnen. Alles war neu, wir wechselten fast jeden dritten Tag das Land und es kam uns sehr unglaubwürdig vor, dass wir tatsächlich ein ganzes Jahr unterwegs sein sollen… Ein ganzes Weilchen fühlte es sich so an, als ob wir nur im Urlaub wären und bald wieder nach Hause fahren würden. Aber mittlerweile sind wir angekommen im Reisen. Allerdings merken wir inzwischen auch, dass es anstrengend ist, andauernd an einem neuen Ort zu sein, neue Menschen zu treffen, neue Eindrücke zu sammeln. Uns ist aktuell mehr nach Ruhe und etwas Zeit für uns. Ihr merkt, wir kommen kaum hinterher mit dem Blog schreiben, auch das ein Ergebnis des ständigen Weiterziehens… Tatsächlich haben wir im Iran zwei Städte gestrichen, die wir eigentlich besuchen wollten und genießen es nun, mehr Zeit an einem Ort zu haben und einfach mal zu relaxen, ohne ein straffes Tagesprogramm. Tut sehr gut! 🙂

Zum ersten Mal warten wir auch auf ein Visum – bislang hatten wir alle schon von zu Hause aus beantragt oder brauchten keine. Wir sind gespannt, ob wir das Transitvisum für Turkmenistan bekommen werden. Falls nicht? Dann wird’s spannend und ein jeder von uns hat schon seine alternative Traumroute im Kopf 😉

Sebastian steht mit Pass und Papieren in der Hand vor einem weißen Gebäude mit einem Schild, auf dem "Visa section" steht
Ein Visum für Turkmenistan zu beantragen, ist eine interessante Angelegenheit. Die Unterlagen werden durch das kleine Außenfenster gereicht, mehr kriegt man von der Botschaft nicht zu sehen.

Gibt es Tipps für kommenden Langzeit(welt-)reisende?

  • Um unser Gepäck nicht zusätzlich zu beschweren, haben wir uns von Deutschland aus die Reiseführer für die kommenden Länder in den Iran schicken lassen. Hat problemlos geklappt, sie sind wohl behalten in Teheran angekommen!
  • Ein eBook-Reader ist etwas Tolles und spart uns enorm Gewicht! So ganz einfach ist das Kaufen von eBooks aus dem Ausland aber nicht, vor allem wenn wie im Iran einige Internetseiten ganz gesperrt sind. Am besten, man bestückt seinen Reader schon zu Hause mit immerhin ein paar Büchern…

 

Unser Fazit des zweiten Monats

Sowohl die Türkei als auch der Iran werden in der ausländischen Medienberichterstattung nicht besonders positiv dargestellt. Trotzdem sind beide Länder auf jeden Fall einen Besuch wert, wobei es bestimmt ratsam ist, die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes im Blick zu behalten. In beiden Ländern durften wir viele nette Menschen kennenlernen und verbrachten dort sehr abwechslungsreiche und schöne Wochen!

Obwohl (oder eher weil?) das Auto ein Verkehrsmittel ist, welches wir nicht so oft benutzen werden, war die Freiheit, die wir dadurch in der Türkei gewannen, toll! Wäre es nachts wärmer gewesen, hätten wir hier unser Zelt ausprobiert! Aber bei Temperaturen bis 4 Grad wollten wir dann doch nicht… Im Iran ist es nun wärmer, dafür kommen wir ohne Auto nur schwer aus den Städten raus, wo wir tolle Plätze zum Zelten vermuten. Unsere Camping-Hoffnungen setzen wir daher auf Zentralasien. 🙂

Wir denken regelmäßig an Euch zu Hause und freuen uns immer sehr, von Euch zu hören! Trotzdem möchten wir noch nicht wieder heim, sondern freuen uns auf unseren dritten Reisemonat, der gerade begonnen hat! 🙂

Übrigens: Im Iran lernten wir, dass Instagram DAS Medium ist. Wir probieren es aktuell aus und posten jeden Tag unser Lieblingsbild. Ihr könnt unsere Seite auch sehen, ohne einen Account zu haben: https://www.instagram.com/eins2frei/

Leo uns Sebstian mit einer britisch-iranischen Familie im Innern eines religiösen Geländes
Im „Holy Shrine“ in Shiraz wurden wir kurzzeitig Mitglieder einer iranisch-britischen Familie und durften so sogar den heiligen Schrein selbst bewundern, der sonst nur für Muslime zugänglich ist

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4 Comments

  1. Super interssant und est wird immer spannender!
    Warum habt ihr nicht ein Auto auch im Iran gemietet?
    Liebe Grüße aus Bulgarien 🙂

    1. Hallo liebe Hristina,
      ein Auto hatten wir überlegt, aber ganz ehrlich – hier wollte keiner von uns fahren… 😉 Der Verkehr ist mehr als chaotisch und in den Städten wäre ich hinter dem Lenkrad auf jeden Fall gestorben. 🙂 Zudem sind die Busverbindungen zwischen den Städten topp. Aber manchmal haben wir es bereut, v.a. als es schwierig wurde, in die Natur zu fahren. Vielleicht in einem der kommenden Länder wieder!
      Liebe Grüße zu euch nach Sofia!!

  2. Wow Instagram! So kommt man an neue Medien ?. Danke für die schönen Fotos! Und eine gute Reise weiterhin. Du weißt Leo, dass du nun immer wieder zu uns zurück kommen kannst, falls du keine Lust mehr hast zu reisen ?
    Viele Grüße, Linda

    1. Danke liebe Linda 🙂 Hab’s eben gelesen, waren die letzte Woche mal ganz ohne Internet, war auch mal schön… 😉 Viele Grüße zu euch!! Ich meld mich bald!

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