„Mal ganz anders“, so kann man vielleicht unseren vierten Reisemonat zusammenfassen. Sind wir bislang immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln gereist, so lief das im Monat Juni ganz anders: Ende Mai trafen wir in Buchara, Usbekistan, Thomas, einen Anfang-Fünfziger aus Liechtenstein, der mit seinem Toyota-Kleinbus unterwegs ist. Spontan bot er uns an, ihn für ein paar Tage in die usbekischen Nurata-Berge zu begleiten und erzählte uns dort so ausdauernd vom Pamir Highway in Tadschikistan, sodass wir tatsächlich auf die Idee kamen, mit ihm dort hinzufahren!
War es anfangs als gemeinsames Reisen auf Zeit – immer mit der Option auf einen Ausstieg beiderseits – angelegt, so waren wir nun tatsächlich über einen Monat gemeinsam unterwegs. Routinen, Rollen und Aufgaben haben sich gefestigt, jeder weiß, was er oder sie zu tun hat: Sebastian ist der Ein- oder Auswinker bei schwierigen Straßensituationen, hat das bockige Fenster im Griff und navigiert; ich bin für die Informationen aus Reiseführer und Co. zuständig, behalte die Essensvorräte im Blick (v.a. die Notration an Snickers) und sorge für regelmäßige Fotostopps; Thomas fährt, singt und erzählt aus seinem Leben. 🙂
Wir wollen nicht zu viel vorwegnehmen, denn natürlich schreiben wir noch einen ausführlichen Bericht über unseren Monat auf dem Pamir Highway und unsere Zeit in Tadschikistan, aber es ist anders hier als bislang. Und das liegt bestimmt auch an der für uns neuen Art des Reisens.
Was ist in Monat Vier passiert?
- Wir reisten als Mitfahrer in einem Auto mit. Den öffentlichen Nahverkehr haben wir deshalb in Usbekistan und Tadschikistan leider nicht kennengelernt, aber dafür waren wir top flexibel, wo, wann und für wie lange an einem Platz gestoppt wird.
- Wir zelteten! Endlich! Es war toll, abends selbst etwas zu kochen und um 21 Uhr in den Schlafsack zu verschwinden, weil es dunkel und kalt draußen wurde.
- Zum ersten Mal seit langer Zeit waren wir in Gegenden ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ohne Internet unterwegs. Es war nicht immer geschickt, aber trotzdem schön, mal nicht erreichbar zu sein.
- Wir kamen hoch hinauf: von Duschanbe, auf 706 Metern gelegen, ging es in den kommenden Wochen bis zum Ak Baital Pass auf 4.655 Meter. Ab und an ging uns die Puste ganz schön aus!
- Zum ersten Mal war ich, Leo, richtig krank. Fieber, Übergeben, unschön… Jetzt geht es mir wieder gut! Ich klopfe auf Holz, während ich dies schreibe 😉
- Auch Sebastian zog sich körperliche Blessuren zu, denn er übersah dummerweise eine echt spitze Stelle eines Felsbrockens und sprang mit dem Knie dagegen. Die Kruste ist verheilt, aber angeschwollen ist das Knie noch immer und er humpelt nach wie vor. Aber wir sind positiv, dass das Knie langsam, langsam endlich wieder wird…
- Es ist verrückt, wie viele Radfahrer auf dem Pamir Highway unterwegs sind! Da wir selbst so langsam reisten (ein Stopp jagte den nächsten), waren wir in etwa so schnell wie die Radler und trafen sie regelmäßig wieder. Es entstand eine richtige Pamir-Community, jeder schien jeden zu kennen.
- Wir waren in Afghanistan! Also fast… 😉 Wir reisten viele, viele Kilometer den tadschikisch-afghanischen Grenzfluss Panj entlang, Afghanistan stets im Blick. Gerne wären wir mal „rüber“ gegangen, aber Brücken nach Afghanistan gab es kaum und wir hätten ein Visum für „drüben“ und v.a. ein neues für Tadschikistan gebraucht. Aber trotzdem, v.a. zu Beginn der Tour, als der Panj durch eine enge, schmale Schlucht floss, war ein „Wink-Kontakt“ nach Afghanistan möglich. War es am Anfang hoch spannend und ganz aufregend, so nah an Afghanistan zu sein, so gewöhnten wir uns schnell daran. Auch dort leben ganz normale Leute in ganz normalen Dörfern.
- Zum ersten Mal im Leben sahen und hörten wir nachts Raketenabschüsse und -detonationen. Es machte uns Angst, aber es sei nur eine militärische Übung gewesen, versicherten uns Einheimische am nächsten Tag. Nach dieser einen Nacht und dem darauffolgenden Morgen kriegten wir von Raketen oder ähnlichen Sachen nichts mehr mit.
- Das indische Restaurant in Dushanbe war wahrlich ein Highlight des Monats! 🙂 Endlich mal was anderes als klare Suppe, Borschtsch, Plov, Somsa oder Manti. Obwohl das natürlich auch alles lecker ist, nicht falsch verstehen! 🙂
- Wir übernachteten diesen Monat, wenn wir nicht zelteten, v.a. in privaten Homestays von Familien. Dieser Ansatz zählt zu der Idee eines „community based tourism“ mit der Idee, dass das Geld tatsächlich bei den Einheimischen landet. Uns eröffnete das die schöne Möglichkeit, in Zimmern der Familie schlafen zu dürfen, das „normale“ Essen zu essen und z.B. mit den Kindern des Hauses oder der Nachbarschaft Schach, Fußball oder mit dem Hula-Hoob-Reifen zu spielen. Es war kein Luxus, Betten wurden häufig durch Matratzenlager abgelöst, Duschen gab es wenige und wenn, dann häufig als „bucket shower“, Toiletten waren immer recht rustikal im Außengelände zu finden und die Mahlzeiten gleichen sich in den verschiedenen Homestays sehr. Aber es waren unvergessliche Momente bei den Menschen vor Ort.
- Sonderbare Insektenbisse am ganzen Körper können wir nun auch leider als Erfahrung vorweisen. Zum Glück passierte es nur in einer Nacht und es haben sich scheinbar keine Plagegeister in unseren Schlafsäcken festgesetzt.
- Zum ersten Mal überhaupt bekamen wir den Wechsel einer Zeitzone nicht mit! Erst fünf Tage später bemerkten wir zufällig, dass wir nun eigentlich in der „Pamir-Zeit“ sind, die zwar nicht offiziell ist, aber trotzdem von jedem in der Pamir-Region genutzt wird. Ist das nicht schön, wenn die Zeit mal so unwichtig ist!?
- So offensichtlich, dass wir es fast vergessen: wir sind in den Bergen und in der Natur! Während ich dies schreibe, sitzen wir in einem netten Homestay, nahe an der chinesischen Grenze, auf 3.800 Metern Höhe und haben eben unseren ersten Sandsturm erlebt. So viel draußen wie in diesem Monat waren wir bislang auf dieser Reise noch nicht. Es tut gut!
- Wir fuhren Boot auf 4.000 Meter Höhe! Am See Karakul, dem größten See Tadschikistans, trieb unser Homestay-Vater ein Schlauchboot für uns auf, mit dem wir uns auf die Wellen wagten. Die Strömung und der Wind waren stärker als gedacht, das Wasser eiskalt, eine Ruderhalterung verabschiedete sich nach wenigen Minuten; so fuhren wir ein Weilchen am Ufer entlang und ließen uns anschließend wieder zurücktreiben. Ein Highlight waren diese Stunden auf jeden Fall! 🙂
- Am Ende unseres vierten Reisemonats sind wir in Osch, der zweitgrößten Stadt Kirgisistans, angekommen. Und es ist toll, mal wieder an einem Ort mit Restaurants, Supermärkten und einer richtigen Dusche zu sein!
Mit welchen Erwartungen fuhren wir in die Länder des Reisemonats Vier?
- Ganz ehrlich: mit kaum welchen. Da Tadschikistan gar nicht geplant war und wir erst unterwegs so richtig vom Pamir Highway hörten, ließen wir uns einfach mal überraschen, was kommt. Das Einzige, was uns klar war: es wird bergig, es wird hoch, es wird dünn besiedelt.
- Für Kirgisistan waren unsere Erwartungen schon ein wenig höher: Dank Vorabinformationen, die wir noch zu Hause von Kirgisistankennern bekamen, hatten wir immerhin schon mal Fotos und persönliche Eindrücke gesehen und gehört. Wir erwarten glasklare Bergseen mit Bergpanorama, Jurten (die traditionellen Zelte der Nomaden), viele Tiere und entspannte, nette Städte. Für unsere ersten sieben Tage im Land haben sich diese Erwartungen schon ganz gut erfüllt 🙂
Wie sah es in diesem Monat mit Fettnäpfen oder skurrilen Situationen aus?
- In unserem ersten kirgisischen Jurtencamp, in dem wir in einem traditionellen Zelt der Kirgisen schlafen durften, fragten wir die Besitzerin, ob das kleine Mädchen ihre Enkelin sei. Sie verzog keine Miene, berichtigte uns aber, dass es sich um ihre Tochter handele. Wir konnten es erst kaum glauben.
- Wir lernen auch dazu: nachdem wir in Duschanbe die wohl unleckerste Pizza bislang überhaupt aßen (ca. 1,5 cm Käsepampe) fragte ich in Osch vor der Bestellung, wie viel Käse auf der Pizza sei? Wenig wäre genug für uns. Die Pizza war zwar dennoch für unseren Geschmack mit reichlich Käse belegt, aber es war immer noch besser als in Duschanbe. Auf der Rechnung entdeckten wir dann im Anschluss einen mysteriösen Posten, den wir schließlich als „extra Käse“ entziffern konnten. Kommunikation fehlgeschlagen 😉
Gibt es Tipps für kommenden Langzeit(welt-)reisende?
- Solltet ihr, wie wir, jeweils zwei Reisepässe besitzen, lasst einen zu Hause! Manche Visa können nur im Heimatland beantragt werden und nicht immer schon vor dem großen Reisebeginn. Die Visaformalitäten lassen sich oft ganz gut per Scan, Ausdruck usw. auch digital erledigen. Der Pass muss aber immer im Original vorliegen… Unsere Pässe sind nun in der Post; wir drücken uns die Daumen, dass sie gut zu Hause ankommen!
Unser Fazit des vierten Monats
Wir waren draußen, draußen, draußen! Das lag am Land und das lag an unserer Mitfahrgelegenheit! Der Pamir Highway, so überraschend er für uns ein Ziel wurde, ist definitiv einen Besuch wert! Tolle Landschaft, nette Menschen, Murmeltiere und Ziesel, Yaks und Kühe, Esel und Pferde, riesige Schlaglöcher oder kilometerlange Waschbrettpisten. Stets war eine ganze Menge Ablenkung von der Fahrerei auf dem „Highway“ geboten. Wir wollen die letzten Wochen nicht missen!
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Wir haben nicht verstanden…. Warum habt ihr zwei Reisepässe??
Viele liebe grüße
Hi liebe Naiara, wir haben uns beide einen zweiten Reisepass ausstellen lassen, was in begründeten Ausnahmefällen möglich ist: entweder man reist beruflich viel oder plant, sowohl Israel als auch muslimische Länder zu besuchen. Wie laufen eure Planungen? Liebe Grüße! 🙂