Was machen wir hier eigentlich?

Nachtmarkt in Siem Reap

Nach 1 ½ Jahren auf Reisen scheint nun der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem mich die große Sinnfrage einholt. Es ist bereits 22 Uhr und wir sind eben erst in Siem Reap angekommen. Siem Reap ist Kambodschas Touristenstadt Nummer eins und Sebastian und ich sind geschockt. Der Gegensatz zu unseren letzten drei Wochen könnte nicht größer sein: In denen hüteten wir ein Haus und drei Katzen in Bangkok und erlebten wie eigentlich noch nie auf dieser Reise ein eigenes Zuhause. Natürlich war uns klar, dass dieses Zuhause nicht auf Dauer ist, doch lebten wir uns so schnell in den vier Wänden der englischen Familie ein, dass wir uns einfach nur wohl fühlten und gar nicht mehr weg wollten. Seit heute sind wir wieder auf Reisen und schlafen seit einer gefühlten Ewigkeit (tatsächlich sind es gerade mal drei Wochen…) wieder in einem Guesthouse.  

Wir laufen durch Siem Reaps Innenstadt, weichen den großen Pfützen aus und sehen an jeder Ecke Tuk-Tuk-Fahrer stehen, die uns ihr „Hello Sir, Tuk-Tuk?“ hinterher rufen. Überall entdecken wir ausländische Touristen unterschiedlichsten Alters, gerade 18 gewordene Backpacker, Familien mit ihren Kindern, Althippies, die scheinbar schon zum Inventar der Kneipen gehören. Die Pub Street überfordert uns mit ihrem grellen Neonlicht und mit den Liedern, die in ohrenbetäubender Lautstärke aus den vielen Bars schallen und sich gegenseitig Konkurrenz machen. „Look here, Miss, very cheeeap… I give you discount!“, höre ich die liebliche Stimme einer jungen Verkäuferin neben mir. Doch ich will überhaupt nichts kaufen. Und ich will auch gar nicht hier sein in diesem überlaufenen Siem Reap, in dem es nur um cheap, party und fun zu gehen scheint.

„Was machen wir hier eigentlich?“, geht es mir durch den Kopf. Warum besuchen wir diese Stadt und ganz ehrlich – warum besuchen wir überhaupt Kambodscha? Klar, die Tempel von Angkor liegen vor uns und wollen besichtigt werden, aber sonst? Doch es ist schon spät und wir beschließen, zum Lovely Family Guesthouse zurückzulaufen. Heute werde ich keine Antwort mehr finden.

Auch am kommenden Tag lässt mich das Gefühl nicht los, am falschen Ort gelandet zu sein. Im Supermarkt überfällt mich ein ungewohntes Gefühl der Melancholie. Ich beobachte Menschen, wie sie ihren regulären Einkauf machen. Wie gerne würde ich auch einfach ganz normale Essenszutaten kaufen – Nudeln, Reis, Gemüse – und selbst kochen. Doch wir haben keine Küche und sind wiedermal gezwungen, in Restaurants zu essen. So landen nur Snacks und Dinge, die nicht gekühlt werden müssen, in unserem Einkaufskorb.

Es regnet den ganzen Mittag in Strömen und wir bleiben in unserem Zimmer, lesen, schlafen und hängen unseren Gedanken nach. Ich schweife ab und denke wiedermal an Bangkok. „Unser“ Haus mit dem großen Garten… Da könnten wir nun mit „unseren“ Katzen spielen oder trotz des Regens unter dem Dach der Veranda sitzen. Wie gerne wäre ich jetzt wieder dort.

Doch was heißt das nun für mich? Bin ich reisemüde? Habe ich keine Lust mehr? Ist es der Anfang vom Ende unserer Reise oder nur eine Phase, die auch wieder vorübergehen wird?

Natürlich kamen mir in den letzten 18 Monaten immer mal wieder Fragen nach dem Sinn dieser Reise. Meistens, wenn irgendwas nicht wie geplant lief. Doch spätestens über Nacht waren diese verschwunden und den nächsten Morgen konnte ich wieder voller Spannung und Interesse auf den kommenden Tag beginnen. Das mir ein solch fragendes Gefühl über Nacht bleibt, kenne ich nicht von mir.

Ich bin hin- und hergerissen: Einerseits hätte ich gerne wieder ein richtiges Zuhause, was nett, sauber und vor allem meines wäre. Von mir aus auch hier in Kambodscha. Andererseits möchte ich gerne noch so viel sehen und freue mich zum Beispiel schon auf Japan, welches wir in diesem Herbst noch besuchen wollen. Einerseits habe ich überhaupt keine Lust auf konkrete Planungen und Zeitpläne, andererseits aber möchte ich nirgendwo Abstriche machen.

„Hast du eine mid-travel-crisis?“, fragt mich Sebastian abends etwas skeptisch. Mid-travel-crisis, noch nie darüber nachgedacht… Doch so eine kleine Krise scheint es schon zu sein, wenn ich unsere Art des Reisens, die Wahl der vor uns liegenden Länder und das Reisen ganz generell in Frage stelle. Aber Antworten habe ich gerade auch keine parat. Es wird sich in den kommenden Tagen schon zeigen, was wir hier eigentlich machen und wie wir weiterreisen möchten. „Kommt Zeit, kommt Rat“, das hat mir schon immer geholfen.

Nachtmarkt in Siem Reap
Siem Reap ist einer der touristischsten Orte Kambodschas
Die im Dunkeln erleuchtete Pup Street Siem Reaps
Touristen jeden Alters schlendern durch die Pup Street und lassen es sich in einer der vielen Bars und Restaurants gut gehen
Wir sitzen gemeinsam mit Elias und Kanha beim Abendessen
Ein Highlight in Siem Reap ist das Wiedersehen mit Elias. Den Spanier hatten wir das erste Mal vor über einem Jahr im Iran kennengelernt. Er bringt seine Bekannte Kanha zu unserem Treffen mit. Sie kommt aus Kambodscha und sagt: „Everyone comes to Cambodia because it’s so cheap here“.
Die gefüllten Regale eines kleinen Supermarkts
Der Ort meiner Melancholie: Der Supermarkt
Ein Teller mit kambodschanischer Nudelsuppe
Doch Kambodscha hat natürlich auch seine schönen Seiten und das Essen gehört auf jeden Fall zu den positiven (Wieder-)Entdeckungen
Eine bemoste Ruine im Tempelkomplex von Angkor Wat
Auch die riesige Tempelanlage Angkor ist nicht ohne Grund eine der größten, wenn nicht sogar die größte Attraktion des Landes und wir erkunden einen Tag lang einige der unendlich vielen Tempel
Zwei Apsaras schmücken die Steinwände von Angkor
Während wir durch die Anlage spazieren, sind wir fasziniert, wie gut alles erhalten ist, obwohl die Tempel uralt sind
Leo sitzt in einem Fenster des Tempels Banteay Kdei
Angkor ist ein Besuchermagnet in Kambodscha. Im Jahr 2017 besuchten ihn laut Phnom Penh Post 2,5 Millionen Menschen.
Die Gesamtanlage Angkor besteht aus über 1.000 Tempeln und einer der bekanntesten von ihnen ist Ta Prohm
Sebastian steht vor den riesigen Wurzeln im Ta Prohm Tempel in Angkor Wat
2001 wurden hier einige Szenen des Films „Tomb Raider“ mit Lara Croft alias Angelina Jolie gedreht, die den Tempel weltberühmt gemacht haben. Und auch wir spüren die Bekanntheit dieses Tempels: Während an anderen der Andrang noch ganz im Rahmen ist, schieben sich hier die Touristengruppen über die kleinen Wege und versuchen, die schönsten Selfies vor den beeindruckenden Wurzeln zu schießen.
Sebastian steht auf der extrem steilen Treppe vom Tempel Ta Keo in Angkor Wat
Uns führt der Weg bald weiter zum Tempel Ta Keo, der uns vor allem Dank seiner extrem steilen und engen Stufen in Erinnerung bleiben wird
Menschen laufen vorsichtig die extrem steilen und schmalen Stufen des Tempels Ta Keo in Angkor Wat hinunter
Von unten sahen die Stufen gar nicht so wild aus, von oben kriegen die engen Tritte nochmal eine neue Bedeutung
Je weiter wir uns von den Hauptattraktionen entfernen, desto leerer wird es an den Tempeln
Es bilden sich große Regenpfützen von dem Tempel Thommanon in Angkor Wat
Hier am Thommanon holt uns der heutige Monsunschauer ein, denn es beginnt, wie aktuell jeden Tag, plötzlich aus Kübeln zu gießen
Ein Motorroller fährt aus dem Victory Gate in Angkor Wat.
Durch das Victory Gate nähern wir uns dem Tempel Bayon, einer weiteren Hauptattraktion Angkors. Der Regen hat mittlerweile zum Glück wieder aufgehört.
Ein Steingesicht im Tempen Bayon in Angkor Wat.
Der Bayon ist bekannt für seine überlebensgroßen, bis zu 7 Meter hohen lächelnden Gesichter
Und nein, auch hier sind wir nicht alleine, im Gegenteil
Ein Steinrelief in Bayon, Angkor Wat
Uns beeindrucken auch die kleinen Dinge wie dieses Steinrelief
Besuchermassen strömen auf den Haupteingang von Angkor Wat zu
Als letzter Tempel des Tages schauen wir uns Angkor Wat an, den Tempel der Anlage schlechthin. Und auch hier ist ordentlich was los.
Sebastian steht mit unserem Fahrer vor seinem Tuk-Tuk
Bis heute wurden über 1.000 Tempel und Heiligtümer auf dem riesigen Gesamtgelände von Angkor entdeckt und Dank unseres Tuk-Tuk-Fahrers schaffen wir es, uns heute einige der vielen Tempel anzuschauen

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2 Comments

  1. Hallo ihr beiden,
    es würde mich freuen, wenn ich noch viele weitere Erzählungen von euch lesen durfte.
    Seid beide gedrückt!
    P.S. Der Ramen Hype hat jetzt auch Stuttgart erwischt.
    Grüße

    1. Hi Jörg,
      Schön von dir zu lesen! Ich bin mir recht sicher, dass du noch mehr von uns wirst lesen dürfen, wenn du das möchtest 🙂
      Wir haben gerade hier in Chihuahua eine sehr leckere Ramen gegessen, die es auch in Mexiko gibt 🙂
      Liebe Grüße nach Stuttgart
      Leo

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