„So, hier probieren wir’s! Stell du dich an die Straße und halt‘ den Daumen raus, ich passe auf unser Gepäck auf.“ Sebastian bezieht Position am Straßenrand und streckt den Arm raus. Keine zehn Sekunden später kommt ein Mann auf uns zu und lässt uns wissen, dass der Busbahnhof am anderen Ende Aliabads sei. Und dass uns von hier bestimmt niemand nach Gilgit mitnehmen würde, denn „it’s too far away“. Dass Gilgit, gerade mal 100 km entfernt, zu weit weg zum Trampen sein soll, hätten wir nicht gedacht. Wir wollen aber nicht aufgeben, bevor wir überhaupt einen einzigen Versuch gestartet haben und bleiben an der Straße stehen. Das erste Auto würde uns mitnehmen, hätte dafür aber gerne schlappe 50 US-Dollar. Wir lehnen dankend ab, das Auto fährt davon und wir bleiben alleine an der Straße mit ausgestrecktem Daumen stehen.
Doch unsere Geduld wird nicht zu sehr auf die Probe gestellt, denn schon bald hält ein alter, blauer Toyota vor uns und ein etwas mürrisch dreinschauender Mann kurbelt das Fenster hinunter. „Where do you want to go?“ „To Gilgit.“ Er nickt und öffnet die Türe. Nachdem wir in seinem vollgepackten Auto Platz für unsere Rucksäcke und vor allem für uns geschaffen haben, fährt er los. Vorsichtshalber hatten wir vorab nochmal sichergestellt, dass wir die gleiche Idee vom Trampen haben: kostenloses Mitfahren, da der Fahrer die Strecke sowieso fährt. Und dafür im Gegenzug nette Gespräche und Ablenkung für die Dauer der Fahrt.
Arshad ist nicht der Gesprächigste, doch er hat das Herz am rechten Fleck. Nach einem Weilchen Fahrt hält er auf einmal links am Straßenrand. „Come!“ sagt er uns steigt aus. Wir folgen ihm fragend. Er steuert auf einen Teestand zu und bestellt für uns alle Chai, den süßen Milchtee. „This is Rakaposhi View Point. You have to see it!” Wir hatten vorab von diesem Platz gelesen und freuen uns, dass Arshad hier unerwartet für uns stoppt. Der Rakaposhi, mit 7.788 Metern Höhe einer der Riesen Pakistans, ist allerdings in den Wolken verschwunden. Auf der nahen Informationstafel lesen wir, dass sich der Gipfel des Berges sechs Kilometer über uns befindet. Wir können es kaum glauben! Nach einem Erinnerungsfoto vor dem kaum zu sehenden Rakaposhi setzen wir die Fahrt fort. Wir kommen immer weiter nach Süden und die engen Täler weiten sich allmählich. Die Herbstfarben werden weniger, hier sind die Bäume noch saftig grün.
Angekommen in Gilgit möchten wir bei einem Hotel aussteigen, welches uns empfohlen wurde. Doch Arshad ist anderer Meinung. Es sei viel zu teuer, er würde uns stattdessen zum Guesthouse eines Freundes fahren. Obwohl wir an dem von uns anvisierten Hotel vorbeifahren, stoppt er nicht für eine kurze Besichtigung, sondern fährt direkt hinein ins Getümmel Gilgits, das mit seinen etwa 11.000 Einwohnern und seinem Status als Hauptstadt der Provinz Gilgit-Baltistan die größte Stadt ist, in der wir bislang in Pakistan waren. Das Guesthouse seines Freundes ist nett, aber sehr einfach, und wir möchten gerne selbst entscheiden, wo wir übernachten. Daher wollen wir uns zu Fuß auf den Weg zu dem von uns anvisierten Hotel machen, doch für Arshad ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er uns fährt. So schlängeln wir uns im Auto wieder zurück durch den dichten Abendverkehr, um in dem uns empfohlenen Hotel festzustellen, dass die Preisvorstellungen tatsächlich sehr übertrieben sind. Etwas kleinlaut fragen wir Arshad, ob er uns wieder zum Guesthouse seines Freundes zurückbringen könne.
Mein erster Eindruck von Gilgit: ein geschäftiger Ort, in dem man alles kaufen kann, was das Herz begehrt. Die Straßen sind trotz einbrechender Dunkelheit immer noch voller Menschen. Doch was mich schnell wundert: Wo sind eigentlich die Frauen? So sehr ich auch Ausschau halte, auf den Straßen entdecke ich nur Männer. Ob es daran liegt, dass es bereits dunkel ist? Ich weiß es nicht. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit Arshad – auch im Restaurant sind außer mir nur Männer – fallen wir todmüde ins Bett.
Für den nächsten Tag haben wir uns vorgenommen, ein paar Besorgungen für unsere anstehende Fahrt nach Fairy Meadows zu treffen. Fragten wir in den letzten Tagen Pakistaner, was man unbedingt in ihrem Land gesehen haben muss, waren sich alle einig: Fairy Meadows, die „Märchenwiese“ am Fuße des Nanga Parbats, des neunthöchsten Berges der Erde. Für Arshad scheint es eine Selbstverständlichkeit zu sein, uns bei den Besorgungen zu helfen. Und ganz oben auf unserer Liste steht: Geld abheben. Für Arshad bedeutet das, mit uns etwa 15 Geldautomaten verschiedener Banken in ganz Gilgit anzusteuern. Denn überall bekommen wir unsere Kreditkarte sogleich wieder zurück und lesen auf dem Automatenbildschirm: „Sorry, this service is not available“.
Zum Glück ist Arshad gut vernetzt und so sitzen wir wenige Minuten nach den gescheiterten Abhebeversuchen bereits mit den Chefs der jeweiligen Banken beim gemeinsamen Chai, die uns versichern, es würde sich um ein Verbindungsproblem handeln, welches sich im Laufe des Tages von ganz alleine erledigen würde. Für die Bankangestellten scheint unser Besuch eine nette Abwechslung zu sein, denn alle fragen uns begeistert über unsere Tage in Pakistan aus und freuen sich, ein paar Fotos anschauen zu dürfen. Viele Tassen Chai in diversen Bankfilialen später haben wir bei Bank 16, es ist bereits dunkel, endlich Erfolg und bekommen Geld! Und das sogar ohne Provision.
Übrigens habe ich natürlich auch heute Ausschau gehalten nach Frauen im öffentlichen Leben. Im Gegensatz zum Hunza-Tal, konnte ich sie nur in männlicher Begleitung oder in größeren Gruppen beobachten und alle – bis auf eine Ausnahme – trugen ein Kopftuch. In unseren vorherigen Stationen weiter nördlich nahm ich die Frauen als selbstbewusst wahr, die ganz ohne Kopftuch sehr präsent im öffentlichen Leben waren.
Am nächsten Morgen sammelt uns Arshad am Guesthouse ein und fährt uns sowie Mike, den wir bereits aus Tashkurgan in China kennen, zum Busbahnhof. Über WhatsApp hatte uns Mike angeschrieben, ob er sich unserem Ausflug nach Fairy Meadows anschließen und wir uns so die Kosten teilen könnten. So sitzen wir wenig später zu dritt in einer Reihe des hoffnungslos überfüllten Kleinbusses, der uns bis an die Abzweigung nach Fairy Meadows bringen wird.
An der Raikot Bridge steigen wir aus. Wir stehen mitten in der großartigen Landschaft Nordpakistans, neben einem Fluss, umgeben von Bergen. In der Nähe sehen wir ein paar alte, klapprige Jeeps stehen. Nach einem kurzen Toilettenstopp – als Frau darf ich netterweise die Toilette des angrenzenden Militärpostens nutzen und muss mich nicht hinter einem Stein verstecken – sitzen wir schon bald in einem der alten Geländewagen. „This is mountain massage“, lacht uns unser Fahrer freundlich an, während wir auf den Sitzen des Jeeps hin- und hergeschmissen werden. Die Fahrt ist eine Tortur für uns wie auch für das Auto, wandern wäre die bequemere Alternative gewesen. Doch die Aussicht ist spektakulär und mehr als einmal blicke ich direkt in den Abgrund, als die Räder des Jeeps bedrohlich nahe am Straßenrand vorbeifahren.
Plötzlich stoppt unser Jeep, „street is closed“. Das können auch wir sehen, doch wir ärgern uns, dass uns das die Herren unten am Jeepstand nicht gesagt haben. Wo es einmal eine Straße gab, ist nun keine mehr. Vor uns sehen wir einen massiven Fels, in den ein Pfad gesprengt wurde. Notgedrungen schultern wir unser Gepäck und begeben uns auf den gefährlich schmalen Weg, der uns direkt unter einem Überhang und neben dem Abhang entlang führt. In der Mitte des steinigen Pfads nehmen uns zwei Herren mit Kalaschnikow in Empfang, die uns begleiten werden. Wir hatten davon vorab bereits im Internet gelesen und sind deshalb nicht überrascht. Worüber wir uns freuen: Auf der anderen Seite des zerstörten Berghangs, um den früher mal die Straße ging, sind die Zustände wieder besser und ein zweiter Geländewagen wartet auf uns.
Etwa zehn Minuten lang fährt er uns weiter in die Berge hinein, dann ist endgültig Schluss. „Where are the donkeys?“ wollen wir wissen. Auch von diesen hatten wir vorab gelesen und unsere Hoffnungen auf sie gesetzt. „No donkeys today“ ,ist die Auskunft unserer bewaffneten Begleiter. Und nun? Die kommenden zwei Stunden soll es über 800 Höhenmeter nach oben gehen, einen Esel für meinen Rucksack hatte zumindest ich fest eingeplant. Glücklicherweise stoppen wir an einer Hütte auf ein kleines Mittagessen und zwei Männer bieten uns an, unser Gepäck hoch nach Fairy Meadows zu tragen, gegen eine angemessene Vergütung natürlich.
Sebastian und ich entscheiden uns dafür, Mike trägt sein Gepäck selbst den Berg hinauf. So wandern wir auf schmalen Wegen immer höher hinein in die Berge und erhaschen im sinkenden Licht einige beeindruckende Blicke auf den Nanga Parbat. Es ist dunkel, als wir endlich in Fairy Meadows ankommen.
Bei der deutschen Übersetzung „Märchenwiese“ dachte ich an ein beschauliches kleines Plätzchen, eine hübsche Blumenwiese inmitten hoher Berge. So bin ich überrascht, auf 3.300 Metern überall Holzhüttendörfchen entdecken zu können und Heerscharen von Arbeitern, die fleißig neue Hütten zimmern. Auf Arshads Tipp hin hatten wir vorab bei einer Unterkunft angerufen und müssen nun trotzdem hart verhandeln, für eine eiskalte und zugige kleine Holzhütte nicht fünfzig US-Dollar pro Nacht bezahlen zu müssen. Es wird erkennbar, dass wir uns an einem der touristischsten Orte des gesamten Landes befinden.
Fairy Meadows bleibt für uns trotzdem ein besonderes Erlebnis. Ende Oktober ist die Saison bereits vorbei und es wird nachts eiskalt. Die Pfützen frieren zu, ebenso die kleinen Wasserläufe. Können wir tagsüber in der Sonne mit einem Pulli und Sonnenbrille die Wärme genießen, so hüllen wir uns ab Sonnenuntergang in alle verfügbaren Klamotten und frieren immer noch. Zum ersten Mal schließen wir unsere Schlafsäcke zusammen und verschwinden, bereits mit vier Lagen bekleidet, unter die zusätzlichen zwei dicken Decken in unseren Schlafsack. Die Mütze wird nachts zum unverzichtbaren Accessoire.
Doch die Tage sind toll. Wir wandern zum Reflection Lake, in dem sich der Nanga Parbat spiegelt und zum View Point, von dem aus wir fantastische Blicke auf den Riesen und den vorgelagerten Gletscher erhaschen können. Wir treffen den Polizisten Nasir, der uns allerhand unglaubliche Geschichten über erfolgreiche und gescheiterte Expeditionen auf den Nanga Parbat erzählt. Er wird unser Ansprechpartner für all unsere Fragen und zeigt uns eines der kleinen Wasserkraftwerke, mit dem die Hütten in dieser abgeschiedenen Gegend Strom für Licht und das Laden von Handys und Kameraakkus produzieren. Nasir berichtet uns über sein Dorf auf der anderen Seite des Gletschers, das aber nur im Sommer bewohnt ist. Jetzt, Ende Oktober, ist seine Familie bereits in die größere Stadt unten im Tal gezogen. Er erzählt von seinem Vater, der drei Ehefrauen und insgesamt 20 Kinder hat. Als ich ihn frage, wie viele Frauen er selbst hat, lacht er. Eine sei völlig ausreichend. Für seine Kinder wünscht er sich statt der üblichen arrangierten Ehe eine Liebesheirat, denn „love marriage is the best!“.
Es ist kalt hier oben und genau deshalb ist es leer. Dank der Nebensaison sind nur einige kleine Reisegruppen aus Singapur, Malaysia und Japan mit uns in Fairy Meadows, doch die meisten bleiben kürzer als wir und werden tagsüber von ihren Guides auf Trab gehalten. An einem normalen Tag in den warmen Monaten sollen bis zu 500 Personen täglich nach Fairy Meadows kommen, wird uns erzählt. Neben den Holzhüttendörfchen werden dann alle verfügbaren Rasenflächen mit Zelten vollgestellt und auf dem Weg zum Nanga Parbat View Point soll es zu regelrechten Staus kommen. Da ziehen wir doch die kalte Nebensaison vor, in der wir die Bergwelt still und einsam vor uns liegen haben!
An unserem ersten Abend treffen wir Saboor und seine Freunde. Die Gruppe pakistanischer Studenten ist den weiten Weg von der Hafenstadt Karachi hierher gekommen, um den Norden ihres Landes zu besuchen. Sie bereiten bereits das Lagerfeuer für den Abend vor und Saboor befiehlt uns regelrecht „You have to come!“
Gegen ein wärmendes Feuer in der kalten Nacht haben wir nichts einzuwenden. Alle rücken zusammen, sodass wir uns mit auf die Holzbänke setzen können, die rund um das Feuer aufgestellt sind. Musik spielt eine wichtige Rolle, zwei dicke Boxen beschallen ganz Fairy Meadows und das absolute Lieblingslied aller scheint „Despacito“ zu sein, der aus Puerto Rico stammende Sommerhit. Alle singen mit, auch wenn kaum jemand den Text versteht. Genauso wie daheim in Deutschland. Ob das Lied dort wohl auch so populär ist? Die Stimmung ist bestens, die Studenten sind gut drauf. Was uns auffällt sind die geschlechtergetrennten Sitzbänke – eine für die Frauen, viele für die Männer. Ich bin die Einzige, die sich nicht an die unausgesprochene Sitzordnung hält, doch niemand stört sich daran. Auf einmal wird es lauter und lauter, einer der Studenten wird von den anderen wild angefeuert. Saboor lässt uns lachend wissen: gleich wird es spannend!
Der aufgeforderte Student lässt sich nicht lange bitten, räumt sich ein bisschen Platz, dreht die Boxen noch ein wenig lauter und drückt auf Play. Die ersten Klänge von Despacito erschallen über der friedlichen dunklen „Märchenwiese“ und der Student bringt die Menge mit seinem Tanz zum Brodeln. Im Anschluss an diesen ersten Tanz hält es die anderen Männer nicht mehr auf den Bänken. Während sie mit viel Spaß ums Feuer tanzen, sitzen die Frauen daneben, schauen zu, filmen mit ihren Smartphones die Jungs und lachen. Alkohol trinkt niemand, einige wenige halten eine Tasse Tee in der Hand. Als ich meinem Nebensitzer erzähle, dass auf deutschen Partys eher die Frauen tanzen, während die Männer nur zuschauen, reagiert er überrascht. „Ladies can’t dance infront of us men!“ Das beruhigt mich, so bin ich also fein raus heute Abend…
Sebastian hat weniger Glück und wird schon bald zum Tanz aufgefordert. Während er sein Bestes gibt, werde ich überraschend doch gefragt, ob ich nicht auch tanzen würde. „Impossible, I’m a woman!“, gebe ich erleichtert zurück. Das würde natürlich nicht für mich als Ausländerin gelten, wollen die Studenten mich überreden. Doch ich tanze nur, wenn alle tanzen und das schließt die filmenden Studentinnen mit ein. Schnell wird beratschlagt, ich beobachte die aufgeregt tuschelnden Studentinnen. Saboor kommt zurück: „They will dance. But no photos, no videos. Their parents must not know.“ Kein Problem für uns, die Kamera packen wir gerne ein. Das Fest wird ausgelassen und sowohl Jungs wie auch Mädels tanzen fröhlich ums Feuer.
Zwei Lieder lang hält der Mut, dann beginnen sich die ersten wieder zu setzen und so schnell, wie alles kam, ist alles auch wieder beim Alten. Die Männer tanzen, die Frauen lachen, filmen und schauen zu. Als das Feuer kleiner wird, spüre ich die Kälte zurückkommen und wir verabschieden uns. Auch heute noch denken wir gerne an diesen lustigen Abend mit den netten Studenten zurück. Falls wir nach Karachi fahren, werden wir uns mit ihnen treffen, die Nummern haben wir ausgetauscht.
Nach drei durchfrorenen Nächten in Fairy Meadows ist es für uns an der Zeit, wieder zurück ins Tal zu wandern. Wir verabschieden uns herzlich von Nasir, der uns bittet, nächstes Jahr wiederzukommen. Dann wäre sein eigenes Guesthouse fertig und wir wären seine Gäste – ohne zu zahlen, selbstverständlich! „Inshallah!“, so Gott will, kommen wir wieder her.
Der Weg nach unten geht uns dieses Mal leicht von den Beinen, dafür aber auf die Knie. Unten am Fairy Point holt uns wie verabredet unser Fahrer ab, wieder geht es das kurze Stück über den steinigen Abhang der kaputten Straße und auch unser zweiter Jeep wartet bereits auf uns. Wir holpern den Berg hinunter, wieder nahe am Abgrund, aber heute sieht es schon gar nicht mehr so schlimm aus, da wir die Strecke ja schon zum zweiten Mal fahren.
Unten im Tal angekommen verabschieden wir uns von Mike, unsere Wege werden sich hier trennen. Während er zurück nach Gilgit und nochmal in den Norden Pakistans möchte, wollen wir von hier aus in ein Seitental trampen. Ob wir uns nochmal treffen werden? Man sieht sich immer zweimal und das haben wir bereits… Mike hält einen der überfüllten Busse an und darf sich mit hineinquetschen. Wir hingegen wenden unsere Schritte nach links, wo wir vom Berg kommend ein kleines Restaurant entdeckt hatten.
Während wir gemütlich in der Sonne auf Reis und Gemüsecurry warten, gesellen sich Jayne und Nigel zu uns, ein lustiges Paar aus Singapur, das wir oben in Fairy Meadows kennengelernt haben. Im Gegensatz zu uns sind sie aber mit Guide und Fahrer unterwegs. Viel später als wir eigentlich wollten, stellen wir uns erst um 16 Uhr an die Straße. Und haben Glück. Gleich das erste Auto, das vorbeikommt, stoppt für uns. Zwei Männer sitzen drin, die sich bereit erklären, uns bis an die Stelle mitzunehmen, an der die Straße ins Astore-Tal abzweigt. Gemütlich lassen wir uns in die Sitze ihres schicken Autos sinken und leider viel zu früh erreichen wir die Abzweigung. Wir sind darauf eingestellt, ein wenig an diesem leeren Stück der Straße warten zu müssen, doch genau als wir ankommen, biegt ein Auto in die Astore-Straße. Unser Fahrer gibt Gas und mit Lichthupe und richtiger Hupe bringt er das Auto zum Halten.
Unser Glücksgriff, wie sich herausstellen wird! Denn es handelt sich bei dem Auto um ein Shared Taxi und obwohl es bereits mit fünf älteren Herrschaften besetzt ist, wechselt sogleich ein alter Mann nach vorne auf den Beifahrersitz, den sich nun zwei ältere Herren teilen. Hinten rutschen die verbleibenden zwei Fahrgäste zusammen, sodass wir uns zu viert auf die Rücksitzbank zwängen können. Wir verabschieden uns von unserer netten Mitfahrgelegenheit und ohne groß Zeit zu verlieren, setzen wir die Fahrt fort.
Die Straße nach Astore, obwohl in weiten Teilen geteert, ist bis dato die schlechteste, die wir in Pakistan mit einem normalen PKW befahren haben. In Schrittgeschwindigkeit quälen wir uns durch riesige Schlaglöcher oder versinken in Staublachen. Wiedermal ist es bereits dunkel, als wir ankommen. Je weiter wir ins Zentrum von Astore fahren, desto leerer wird es im Auto. Von Arshad und auch anderen Leuten hatten wir vom Rama Lake, oberhalb Astores gelegen, gehört und von dem netten staatlichen Hotel, das es dort geben soll. Das ist unser Wunschort für heute Abend.
Auch unser Fahrer Mashroof hat, wie so viele Leute hier, das Herz am rechten Fleck. Über eine Stunde kurvt er mit uns zum überraschend weit entfernten Rama Lake und stoppt an diversen Hotels. Doch das von uns angepeilte ist sagenhaft überteuert und wird am nächsten Tag für den Winter schließen, das nächste ist von Regierungsvertretern gebucht und steht uns damit nicht zur Verfügung und das letzte ist bereits in den Winterschlaf versetzt worden. Etwas ratlos sitzen wir mit Mashroof und seinem Sohn Ali im Auto. Wir wissen keine Unterkünfte mehr und auch Mashroof scheint zu überlegen. Kurzerhand wendet er das Auto und fährt wieder bergab Richtung Astore.
Der nächste Stopp ist vor einem normalen Wohnhaus, an dem „Wazir’s Guesthouse“ auf einem kleinen Schild steht. Es handelt sich um einen Verwandten von Mashroof, der hier im Sommer Zimmer an Gäste vermietet. Sein kleines Guesthouse ist, wie die meisten anderen Unterkünfte, wegen der Nebensaison nicht mehr geöffnet, doch für uns macht er eine Ausnahme. Heute ist uns alles egal und wir freuen uns, unsere Rucksäcke in einem netten Zimmer abstellen zu können. Wazir tischt uns wenig später Omelette und Chapati auf und stellt uns sogar eine Gasheizung ins eiskalte Zimmer. Doch sie vermag es nicht, den Raum aufzuwärmen und so verschwinden wir bald in den Schlafsäcken, dem wärmsten Ort in unserem Zimmer.
Weitere Fotos aus Fairy Meadows, die wir oben nicht mehr untergebracht haben
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Der Pakistani hat zwar gut vorgelegt am Lagerfeuer – aber ich vermisse das Tanz-Video von Sebastian!
Dafür haben wir leider keine Altersfreigabe erhalten (FSK 18) 😉