Van, unseren letzten Stopp in der Türkei, verlassen wir frühmorgens. Vom Hotel aus gehen wir nur ein paar Minuten, bis wir mit unserem Gepäck am Busstand ankommen. Schnell sind unsere Rucksäcke in dem Minibus verstaut und ich mustere neugierig die anderen Fahrgäste. Ich bin erleichtert, dass außer mir zwei weitere Frauen mit in den Iran fahren werden. Sie sind modisch gekleidet, eigentlich wie bei uns zu Hause. Mein Kopftuch habe ich in meinem kleinen Rucksack griffbereit, mein neues Oberteil – extra für den Iran gekauft – habe ich bereits an.
Mit einiger Verspätung beginnen wir die Fahrt und da wir noch ein paar Plätze frei haben, klappern wir die anscheinend üblichen Stellen der Stadt ab, um noch weitere Fahrgäste zu finden. Doch niemand möchte mitfahren. Nach gut einer Dreiviertelstunde des Suchens gibt unser Fahrer endlich auf und steuert den Minibus raus aus Van. Die Fahrt Richtung Grenze beginnt!
So entspannt, wie wir uns das Reisen in einem Minibus vorgestellt haben, ist es allerdings erst mal nicht: Unser Fahrer ist non-stop mit seinem Handy beschäftigt, schreibt entweder Nachrichten über WhatsApp oder telefoniert. Das alles bei über 100 km/h auf kleinen Sträßchen mit nur halbgutem Straßenbelag… Wir können uns nicht wirklich entspannen und halten die Augen offen, ob wir ihn eventuell vor einem anderen Auto oder einer auf die Straße springenden Ziege warnen müssen. Er wirkt unruhig, steckt sich eine Zigarette nach der anderen an und räuchert uns alle im Auto ein. Irgendwann scheint seine Korrespondenz abgeschlossen zu sein, er legt sein Handy zur Seite und dreht die Musik auf. Wir schauen uns an. In diesem ohrenbetäubenden Lärm fahren wir nun weitere sechs Stunden?
Aus der letzten Reihe beginnt die kleine Rose, knapp 3 Jahre alt, begeistert mitzusingen. Unser Fahrer ist „not amused“ und dreht die Musik lauter. Doch Rose hat eine geübte Stimme und kann mühelos mithalten. Der Fahrer hält dagegen. Die Situation wird zusehends absurder und wir können mit dem Lachen nicht mehr an uns halten. Irgendwann reicht es unserem Fahrer, er macht die Musik leise und beginnt einen Streit mit Roses Vater Bahman. Der scheint sich allerdings nicht unterkriegen zu lassen – wir verstehen nur Bahnhof – doch irgendwann herrscht Ruhe und es wird friedlicher im Minibus. Rose hört auf zu singen und schläft bald ein und auch unser Fahrer entspannt sich endlich.
In tatsächlich harmonischer Stimmung erreichen wir den kleinen türkischen Grenzort Kapıköy. Auf einmal ist draußen Chaos pur. Lastwagen schieben sich durch kleinste Durchgänge, überall stehen rauchende Männer, die außer Schauen nichts zu tun zu haben scheinen. Ich bemerke, dass meine Mitfahrerinnen schon für den Iran gekleidet sind, ihr Kopftuch sitzt bereits. Etwas hektisch hole ich meines aus dem Rucksack und zupfe ein Weilchen an ihm rum – ob es so korrekt sitzt? Irgendwann hält unser Fahrer an – alle aussteigen!
Samt Gepäck gehen wir in den kleinen Containerbau und zeigen unseren Reisepass vor. Die Ausreise aus der Türkei dauert nur wenige Minuten. Der Strom Menschen schiebt sich weiter durch den Containerbau in den nächsten Gang. Einreise in den Iran. Hier ist erst mal Sackgasse. Ein einziger Beamter sitzt an seinem Schreibtisch und soll die Einreise der etwa 100 Wartenden managen. Nach einer halben Stunde Warten im Gedränge sind schließlich wir an der Reihe. Da Sebastian bei der türkischen Ausreise für Verwirrung sorgte, da er zwei Reisepässe hat und der türkische Einreisestempel im einen, das iranische Visum im anderen Pass ist, gehe ich zuerst. Der Zollbeamte schaut mich unsicher an und scheint sich zu fragen, was ich hier wohl verloren habe. Er blättert gut 20 Minuten meinen Pass von vorne nach hinten und wieder nach vorne durch und fragt schließlich: „Your country?“. Ach, wenn es nur darum geht… Erleichtert kann ich ihm „Germany“ antworten.
Doch irgendwas scheint immer noch nicht zu stimmen. Schließlich schaltet sich Bahman, der Vater der kleinen Rose, ein. Was für ein Glücksfall, dass er da ist und auch Englisch spricht! Doch was das genaue Problem ist, kann er mir auch nicht sagen. Bald scheint es dem Grenzbeamten zu reichen: „Wait!“, befiehlt er uns und zeigt mit dem Finger auf eine freie Stelle im Gang. Also warten wir am Rand, bis die etwa 100 anderen Wartenden abgefertigt wurden, bevor wir wieder mit dem Grenzbeamten sprechen können. Zum Glück ist Bahman noch zur Stelle und endlich wird klar, was das Problem ist: In meinem iranischen Visum wurde nur mein erster Vorname vermerkt, jedoch nicht mein zweiter und dritter. „Is this your mother’s name? And that your father’s name?“, fragt mich Bahman. Obwohl es bedeutet, dass mein Vater „Sophie” heißen würde, nicke ich. Wenn es als Erklärung für den Grenzbeamten reicht, soll es mir recht sein!
Und tatsächlich, es reicht! Nach so viel Aufwand mit mir will uns der Grenzbeamte nur noch los werden und schaut sich Sebastians Pass kaum richtig an. Endlich knallt er uns den iranischen Einreisestempel in die Pässe und reicht sie uns zurück. „Welcome in Iran!“, lächelt er uns an.
„Welcome in Iran“ fühlen wir uns tatsächlich sehr schnell. Bis zum obligatorischen Mittagessensstopp unseres Minibusses auf dem Weg nach Tabriz konnten wir noch kein Geld wechseln. Wir fragen Bahman, ob wir wohl auch mit Euro oder Dollar zahlen können? Doch davon will er nichts wissen und lädt uns wie selbstverständlich zu einer Portion Kebab mit Reis ein.
Die Reise durch den Westen des Irans ist landschaftlich spektakulär; viel zu schnell nähern wir uns unserem heutigen Ziel Tabriz. Dank unserem Helfer Bahman kommen wir während der Fahrt an iranische Rial und an eine Reservierung inklusive Discount in unserem favorisierten Hotel. An einem großen Kreisverkehr lässt uns unser Fahrer aussteigen und da ist es, das Gefühl von Asien, das wir sonst nur aus anderen Ländern kennen: Innerhalb von Sekunden sind wir von bestimmt zwanzig Taxifahrern umringt, die uns unser Gepäck aus der Hand nehmen wollen und versuchen, uns zu ihrem Taxi zu bugsieren. Was für ein Glück, dass Bahman noch an unserer Seite ist und uns in ein Taxi setzt. „How much is it?“, wollen wir von ihm wissen. „Don’t worry!“, lächelt er uns an und verabschiedet sich mit der Hand auf dem Herzen. „Hat er etwa sogar für uns das Taxi gezahlt?“, fragen wir uns und ja, das hat er! Was war das doch für ein glücklicher Zufall, der uns in den Minibus zu Bahman, seiner Frau und ihrer Tochter Rose gebracht hat!

Den nächsten Tag erkunden wir Tabriz. Alles ist neu, wir können auf den Schildern nichts mehr lesen und mich nervt meine neue Kleidung. Wir wagen einen ersten Spaziergang durch die Stadt und fallen schon 30 Meter vom Hotel entfernt auf wie bunte Hunde. „Welcome in Iran!“, rufen uns junge Männer aus einem vorbeifahrenden Auto zu. „What’s your country?“, fragen uns begeistert Vater und Sohn. „Do you like Tabriz?“, will eine Studentin von uns wissen. Wir sind geplättet von so viel Interesse an uns! Wurden wir in der Türkei immer wieder auf Türkisch angesprochen, ist es hier scheinbar auf den ersten Blick klar, dass wir Ausländer sind.

Wir freuen uns, dass wir morgen zum ersten Mal seit wir auf dieser Reise sind, auf bekannte Menschen treffen werden! Heike und Hamid, Freunde meiner Eltern, die gerade Hamids Familie im Iran besuchen, reisen mit ihren Neffen Mahbod und Aryan und ihrer Schwägerin Mahrokh nach Tabriz. Eine gute Gelegenheit, Zeit mit netten Menschen verbringen und unsere vielen Fragen stellen zu können.
Nachdem wir am kommenden Tag Tabriz auf eigene Faust erkundet und die Blaue Moschee („Kabud Mosque“), den Basar und ganz besonders die tollen Saftstände besucht haben, brechen wir am frühen Abend zu einem Stadtbummel mit Heike, Hamid und den anderen auf. Was für ein großer Unterschied, mit Leuten unterwegs zu sein, die Farsi sprechen, auch wenn sich die Fünf auch nicht in Tabriz auskennen!





Für die kommenden Tage haben wir viel vor: Sightseeing in Tabriz, ein Besuch des als Naherholungsgebiet top angesagten Elgoli-Parks, eine Führung durch das historische Haus Behnam, ein Ausflug mit der Gondelbahn auf den Enyali-Berg und, und, und…
Gemeinsam mit unseren alten und neuen Freunden spazieren wir durch die Straßen von Tabriz, trinken leckeren, frischen Melonensaft, essen Kebab und hervorragende Auberginengerichte und merken gar nicht, wie schnell fünf ganze Tage in Tabriz an uns vorbeiziehen!







An unserem letzten Tag in Tabriz fahren wir alle zusammen für einen Ausflug in das etwa 50km entfernte Dorf Kandovan. In Kandovan leb(t)en Menschen in Steinformationen und haben in diese verrückten kleinen Berge ihre Wohnungen hineingeschlagen. Auch heute noch sind diese Felswohnungen bewohnt; einige haben kleine Fenster bekommen und fast alle Öfen und Türen. Es ist ein sonderbarer kleiner Ort, der zudem von Tabrizer Schulklassen regelrecht überrannt wird. Wir werden Fotomotiv Nummer 1 🙂 Aber auch eine Gruppe irakischer Reisender ist unterwegs und spontan bekomme ich von einem der Herren seinen hier erstandenen Fellhut geschenkt. Ein Nicht-Annehmen des Geschenks ist undenkbar. Da er mir bei den kommenden hochsommerlichen Temperaturen wahrscheinlich aber wenig von Nutzen sein wird, schenke ich ihn am Ende unseres schönen Ausfluges an eines der Schulmädchen weiter.








Zurück in Tabriz, nach einer kleinen Pause, brechen wir am späten Abend mit dem Taxi zum Bahnhof auf. Mit dem Nachtzug, der 13 Stunden braucht, fahren wir den fünf Anderen voraus nach Teheran und sind schon sehr gespannt auf unser Bett im Sechserabteil des Schlafwagens.
Die Tage in Tabriz waren toll für uns! Zum einen, da Tabriz eine entspannte, nette Stadt ist und für’s Ankommen im Iran wahrscheinlich genau richtig war, zum anderen, weil wir so viel Zeit mit Hamid, Heike, Mahbod, Aryan und Mahrokh verbringen durften. Das Wissen, dass wir kurz nach der Ankunft im Iran bekannte Gesichter treffen würden, die sich zusätzlich noch auskennen im Land, war bislang einmalig seit Reisebeginn und wirklich toll! Und umso mehr freuen wir uns, dass wir uns alle in Teheran wiedersehen werden!














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Hallo Ihr Zwei,
Wieder ein sehr spannenden und
Informativen Beitrag! Viel Spaß weiterhin bei euren Abendteuer. Ich bin schon gespannt.
Herzlichst Phil
Servus Phil,
Danke für deinen Kommentar, freut uns von Dir zu hören! Morgen geht es in die Berge, es bleibt spannend 😉
Beste Grüße nach Zürich!
Super spannend!
Leo: das Kopftuch steht dir voll!!! 🙂
Danke dir, liebe Naiara!! 🙂